Maudacher Kerwe

Eine historische Anekdote

Plauderei über Maudacher Unnamen, aus "Heimatblätter für Ludwigshafen am Rhein und Umgebung", Sonderband des Stadtanzeigers aus dem Jahr 1940, Schriftleitung: Emil Nesseler.

"Der Kuddl" und sein Schollertisch

Auf nicht un­in­te­res­san­te Wei­se kam auch Mar­tin Wip­pel aus Mau­dach zu sei­nem Un­na­men "de Kuddl". Mit der Ker­we ka­men all­jähr­lich die Schol­ler­ti­sche. Einen sol­chen hat­te auch Mar­tin Wippel auf­ge­stellt und sich den bes­ten Platz aus­ge­sucht, in der Nä­he vom "Schwa­ne", denn de Schwa­ne war ei­ne gu­te Wirt­schaft und im Schwa­ne wur­de ge­tanzt, im Schwa­ne ver­kehr­ten auch die meis­ten Frem­den aus Lud­wigs­ha­fen, aus Munn­rem und Mut­ter­stadt, dort stand aber auch die "Schlen­ker" (Reit­schu­le). Martin Wippel hatte seinen Schol­ler­tisch auf­ge­stellt. Es gab aber noch mehr Schol­ler­ti­sche. Das wa­ren klei­ne, meist run­de Tisch­chen. Die Plat­te hat­te vie­le Ver­tie­fun­gen, die fort­lau­fend num­me­riert wa­ren. In der Mit­te war eine größe­re Ver­tie­fung. Das war die Kas­se oder das "But­ter­loch". Wer mit­spiel­te leg­te in das But­ter­loch sei­nen Kreu­zer. Es konn­ten zu glei­cher Zeit mehr­ere mit­spie­len. Das Spiel be­gann, in­dem ei­ne Ku­gel in Be­we­gung ge­setzt wur­de. Die­se flog um den Tisch he­rum, bis sie in ei­nem Loch lie­gen blieb. Die Nummer wurde gut gemerkt. Nun "schollerten" die anderen Mitspieler. Wer die höchste Nummer schollerte, dem gehörte die Kasse, das Butterloch. Es wurde fleissig geschollert und die Einnahmen waren in der damaligen "Kreuzerzeit" oft recht erheblich, denn jeder wollte einmal sein Glück versuchen oder gewinnen. Der Besitzer erhielt von jedem Gewinner nach jedem Spiel einen Kreuzer. Von mittags nach der Kirche bis in die späten Abendstunden wurde eben "geschollert".
So war es auch möglich, dass sich unser Martin Wippel zur nächsten Kirchweihe noch eine "Schdurr" zulegen konnte. Es war für Maudach eine Sensation. Die Schdurr war ebenfalls ein Tisch. In der Mitte standen neun Kegel. Aussen herum führte die Bahn für die Kugel, die "gschdurrt" d.h. gestossen wurde. Die Kugel flog herum und warf dann mehr oder weniger Kegel um. Wer die meisten Kegel umwarf, war Gewinner und erhielt die Kasse. Das einmalige Spiel kostete jeden Teilnehmer einen Kreuzer. Er durfte also nur einmal die Kugel stossen. Neugierige Zuschauer umstanden den ganzen Mittag die Schollertische und auch die Schdurren. Zum größten Ärger unseres Martin Wippel war die Konkurrenz aufgetreten. Aus Maxdorf war noch eine Schdurr aufgestellt, die stundenlang dicht umlagert war von Spiellustigen. Immer wieder schrie der Maxdörfer aus Leibeskräften "Eine Kugel ein Kreuzer! Eine Kugel ein Kreuzer!" Unser Martin Wippel machte ein saures Gesicht; denn niemand fand sich ein an seiner Schdurr. Da kam ihm der gute Gedanke, der Maxdörfer musste unterboten werden. Auch er schrie aus Leibeskräften, so dass auf einmal alle Umstehenden aufhorchten: "2 Kugeln ein Kreuzer – zwei Kugeln ein Kreuzer!" Da er aber einen Sprachfehler hatte, konnte er das Wort Kugeln nicht richtig aussprechen und so schrie er immer wieder: "Zwei Kuddl ein Kreuzer – zwei Kuddl ein Kreuzer!"
So kam Martin Wippel zu dem Unnamen "de Kuddl", den er behielt solang er lebte. Auch zu ihm musste eines Tages der Husje (Gerichtsvollzieher) aus Ludwigshafen. Dieser hatte verärgert schon das ganze Dorf "abgeklobbd"; aber niemand wollte einen Martin Wippel kennen. In seiner Not ging der Gerichtsbeamte auf das "Gemeene Haus" (Gemeindehaus) zu dem Gemeindeschreiber, dem Lehrer Franz Josef Geib. Der schlug in seinen Registern nach und hatte bald den Martin Wippel gefunden. Zu dem Husje aber sagte er: "Ja, hädden se noochm Kuddl gfrogd, hädd ihne jeder kleene Bu zeige kenne, wu der wohnt".  

Von Herbert Schmitt
Abgeschrieben und übertragen aus Der Alte Schwabacher bzw. Kurrent Schrift von Manuela Engel-Krieg